Martina Moser, die Hexenpuppen und ihre Geschichte
Walpurgisnacht in Diersburg - eine wahre Geschichte!
Martina Moser und ihre 444 Hexenpuppen
von Walter Holtfoth Text & Bilder Erstveröffentlicht Badische Zeitung
Walpurgisnacht und die 444 Hexen von Diersburg
"Die Walpurgisnacht wird immer am Vorabend des Namensfestes der heiligen Walburga gefeiert, einer gelehrten Frau und Äbtissin eines Nonnenklosters, deren Leben in keinem Zusammenhang mit Hexen und dem Teufel stand. Erst ihre Heiligsprechung durch Papst Hadrian II. an einem 1. Mai stellte die Verbindung zur heutigen Walpurgisnacht her, denn durch zahlreiche Wundertaten, welche Walburga zugeschrieben werden, gilt sie auch als Schutzpatronin der Seefahrt und gegen böse Geister.
Der Sage nach versammeln sich zur Walpurgisnacht die Hexen auf dem Hexentanzplatz bei Thale, um von dort aus auf Besen, Mistgabeln, Katzen und ähnlichen "Fluggeräten" gemeinsam zum Brocken zu fliegen, wo das eigentliche Hexenfest stattfindet. Auf diesem tanzen angeblich alle Hexen in einem großen Kreis mit dem Rücken zueinander um das Feuer herum und küssen anschließend dem Teufel den Hintern. Dann lassen sie sich mit dem Teufel vermählen, worauf dieser die Hexen mit dem sogenannten Hexenmal zeichnet und ihnen die Fähigkeit zur Zauberei gibt. So ist es überliefert und in den Köpfen der Menschen im Harz verankert und nachzulesen." *Quelle Hartz - intern
Mythen, Sagen, Hexensud?
Auf diese Geschichte haben wir uns vorbereitet als wir mit Martina Moser in Diersburg einen Termin vereinbaren. Den Gerüchten nach gehen in der dortigen Keglerstube seit vielen Jahren seltsame Figuren ein und aus: Hexenpuppen in allen Variationen. Hexenpuppen, viele Hexenpuppen 444 sind es inzwischen. Aus ganz Europa zusammengetragen und mit viel Herzblut im kleinen Lokal in den Tiefen unter der Festhalle liebevoll dekoriert. Nun, soweit der Plan. Die 63jährige, gebürtige Elsässerin, öffnet extra für das Gespräch, die Corona bedingt stillgelegte Lokalität. Ich falle gleich mit der Tür ins Haus, will wissen, was es mit dem Hexenkult auf sich hat und welche Mythen und Sagen sich in ihrem skurrilen Hobby verbinden. Die Wirtin lacht laut und antwortet verschmitzt: „gar nichts!“
Martina Moser geht in Kappelrodeck mit der Schwiegermutter Tanzen
Einigermaßen verdutzt lausche ich dennoch einer spannenden Geschichte, die vor vielen Jahren begann. Die junge Martina Moser lebt und arbeitet im Straßburger E-Werk ist verheiratet und hat einen Sohn. Mir ihrer Schwiegermutter, die sie heute noch verehrt, ist sie damals tanzen gegangen. Und wie so üblich, führt sie diese Leidenschaft auch über den Rhein. Eines Tages landet sie im Hexenkeller in Kappelrodeck. In jenem legendären Tanzlokal war sie fasziniert von der Dekoration. Der Name war Programm, denn es hingen überall Hexenpuppen. Ihre Leidenschaft ist geboren. „Es war fortan mein Traum, sollte ich je ein eigenes Lokal haben, dann wird es ein Hexenparadies werden.“
Sie hat in ihrem Leben schwere Zeiten erlebt und bleibt nach einer Scheidung mit einem Berg an Schulden, alleinerziehend zurück. Sie erzählt, dass sie sieben Tage in der Woche durchgeschuftet hat um sich und ihren Sohn über Wasser zu halten. Tagsüber im Büro, abends als Bedienung in der Straßburger Gastronomie. Eines Tages schuldenfrei will sie ein neues Leben beginnen. Ihr Arbeitgeber bietet ihr ein Sabbat Jahr an und sie kann für ein Jahr aussteigen, um sich zu versuchen. Sie nutzt die Gelegenheit und gibt Anzeigen auf, will ihr eigenes Lokal. Der befreundete Schwanenwirt aus Altenheim gab ihr den Tipp mit Diersburg. So ist es geschehen, sie unterschreibt den Pachtvertrag und übernimmt im Oktober 2001 die Keglerstube. Nachdem ihr der Steuerberater grünes Licht gibt, kündigt sie beim E Werk und verlängert den Pachtvertrag bereits nach einem Jahr. Jetzt gilt es, ihren Traum aus den 70er Jahren Realität werden zu lassen.
Ihr Glück nach schweren Jahren: Diersburg und die Keglerstube
Sie geht über Flohmärkte, hält die Augen auf im Internet und schlägt bei jeder Gelegenheit zu. Es sind alles Unikate, erzählt sie stolz. Erst zehn, dann hundert und es werden immer mehr. Ein Artikel in der Badischen Zeitung führt dazu, dass eine alte Frau aus dem Kinzigtal ein Päckchen nach Diersburg schickt. Im Karton eine große Hexe und ein Brief, sie soll dafür sorgen, dass die Puppe einen liebevollen neuen Platz erhält. Es spricht sich auch international herum, so sind unter anderem Hexen aus Österreich und der Tschechei zu finden. Natürlich aus ganz Deutschland. Jetzt mit 444 Exemplaren hat Martina Moser ihr selbst gestecktes Ziel erreicht. „Jetzt wird nur noch getauscht, an der Zahl ändert sich nichts mehr.“ Sie ist gerne Wirtin und sehnt sich so sehr nach der Zeit, ihre Exemplare wieder ihren Gästen zeigen zu können.
Die Sehnsucht, wieder alles mit ihren Gästen teilen zu können
Ob sie denn auch einen Hexensud braut, hätten wir gerne gefragt. Denn wie heißt es in der Sage: Für die richtige Stimmung sorgte in vergangenen Jahrhunderten eine aus verschiedenen "magischen" Zutaten hergestellte "Hexensalbe". Diese bestand aus Zutaten wie z.B. Mutterkorn, Misteln, Bilsenkraut, Johanniskraut, Stechapfel, Tollkirsche, Schierling u.a. Nachtschattengewächsen. Vor ihrem Flug rieben die Hexen sich und ihr Fluggerät mit dieser Hexensalbe ein. Sie bewirkte einen starken Rauschzustand, der den Damen wohl das Gefühl des Fliegens vermittelte und u.a. auch die sexuelle Phantasie anregte.
Auch wenn dem nicht so ist, eine schöne neue Geschichte die auch in Diersburg zur Legende werden kann,