„Ich will die Kirche im Dorf lassen!“
Von Walter Holtfoth Text & Bild
Erstveröffentlichung Badische Zeitung (18.08.2020)
Dies ist wohl die Kernaussage des mit 22 Jahren jüngstem Pfarrgemeinderatsmitgliedes der Katholischen Kirchengemeinde in Friesenheim, Phillip Müller.
Der Satz ist durchaus doppeldeutig zu sehen, wie sich im Gespräch herausstellen soll. Auf die Frage, wie ein junger Mensch in seinem alter ausgerechnet dazu kommt, für ein Kirchengremium zu
kandidieren hat er eine simple Antwort. „Ich hab gar nicht kandidiert und erst nach meiner Wahl davon erfahren.“
Philipp erzählt mit einem bescheidenen Lächeln, dass er überhaupt nichts von den Vorgängen wusste. Durch die Corona Krise bedingt findet die Wahl
Online im Internet statt. Sein Name findet den Weg auf die Kandidatenliste, indem er mehrfach vorgeschlagen wird. Das Ergebnis erfährt er im Nachhinein von Pfarrer Steffen Jelic persönlich,
verbunden mit der Frage, ob er denn mitmachen will. Und Philipp Müller will, lässt sich das nicht zweimal fragen. Der 22 jährige wirkt sehr bodenständig, er sei nicht so der Mensch der überall im
Mittelpunkt stehen muss.
Der Kirchenarbeit verbunden ist er seit vielen Jahren. Bereits nach der Erstkommunion zählt er in Oberschopfheim zu den Ministranten und ist dort
auch heute immer noch dabei, begleitet gewissermaßen auch die Jugendlichen im Ort. So führt er Jahr für Jahr die heiligen drei Könige durch den Friesenheimer Ortsteil. Die Jugend liegt ihm auch
mit Blick in die Zukunft sehr am Herzen. Angebote will er schaffen oder zumindest darauf hinarbeiten. Den Vandalismus sieht er, ist sich aber sicher, dass hier vieles auf das Elternhaus schließen
lässt. Er will nicht näher öffentlich darauf eingehen verweist nur auf Konsequenzen, denen er sich in jungen Jahren stellen muss, wenn er mal was angestellt hat. „Die katholische Kirche im
Allgemeinen befindet sich bereits in einem beginnenden Reformprozess.“ Philipp Müller vertritt den Standpunkt, dass das Rad nicht neu erfunden werden muss, sondern dass die Hebel an den richtigen
Punkten neu ausgerichtet werden müssen, immer auch unter Einbeziehung der Erfahrung der älteren Mitglieder. Er sieht Bewegungen wie „Kirche von unten“ und „Maria 2.0“, an der sich auch die
Frauengemeinschaft Oberschopfheim beteiligt, als positive Zeichen. Ein großer Aufreger in diesen Tagen ist die Kündigung der Erzieherin im katholischen Kindergarten. „Das ist Sache der
Erzdiözese, ich werde mich dazu nicht äußern,“ Müller schon jetzt dein Diplomat.
Lange ist der 22 jährige auch im Gemeindeteam engagiert. Dort versteht er sich als Vermittler und Bindeglied zwischen Kirche und örtlichen Gruppen.
Müller ist also schon ein geübter und erfahrener Kirchenmensch für sein junges Alter. Er brennt darauf, sich weiter einzubringen und aktiv die Zukunft zu gestalten. „Es gibt viele Aufgaben die
gerade vor der Kirchengemeinde liegen, wenn ich in Richtung 2030 blicke,“ so Müller, dann nämlich sollen die Kirchengemeinden zu einer großen im Dekanat Lahr zusammen geführt werden. Den
Fortschritt will er voran treiben und die Jugend mitnehmen. Für diese soll eine „zeitgemäße“ Kirche entstehen und das alles ohne die Kirchturmpolitik wie sie aus der Vergangenheit bekannt ist.
Wichtig ist für Müller aber auch dass die Leistung der „Alten“ Gemeindemitglieder mit Respekt gewürdigt wird.
Er würde es gerne sehen, wenn es gelingt, die Kirche im Dorf zu lassen. Auch nach einer Fusion 2030. Fünf Jahre hat er nun Zeit sich einzubringen. Wer
den jungen Oberschopfheimer kennt, der weiß, wie gewissenhaft er an seine Aufgabe gehen wird.
Zur Person: Philipp Müller, Jahrgang 1997, kam im Alter von drei Monaten mit seinen Eltern nach Oberschopfheim. Nach Abschluss der Hauptschule beginnt
er die Ausbildung zum Elektriker und wird nach erfolgreichem Abschluss direkt übernommen. Neben seinem Engagement in der Kirchengemeinde „St. Leodegar“ Oberschopfheim ist Müller auch Mitglied bei
der Freiwilligen Feuerwehr in seiner Heimatgemeinde. Er ist Musikliebhaber, hört die aktuellen Chart Hits genau so wie SWR 4, also den Deutschen Schlager.